Die Wahl im Wald

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Gewählt wurde gerade an den Urnen. Während die Parteien schon in den Koalitionsverhandlungen stecken, ist die Wahl im Wald noch lange nicht abgeschlossen. Die Bewirtschaftenden stehen vor wichtigen Entscheidungen zur Zukunft des Waldes: Welche Baumarten können unter den veränderten klimatischen Bedingungen in Zukunft bestehen? Wie sieht der Wald von morgen aus?


Die Kreuze auf dem Wahlzettel sind schon keine leichte Entscheidung… im Wald ist es nochmal schwerer. In der Politik wählen wir für Legislaturperiode von 4 Jahren, im Wald jedoch für meist über 100 Jahre. Welche Bäume wir im Wald beteiligen ist keine leichte Entscheidung! Denn im Wald gibt es keine Antwort für ganz Deutschland, nicht einmal pauschal für einzelne Regionen. Viele lokale Faktoren spielen eine Rolle, z. B. der Bodentyp und der Niederschlag und die Temperatur, die in Zukunft vor Ort zu erwarten sind. Im Wald kann sich innerhalb kürzester Distanzen die Zusammensetzung des Bodens und auch seine Feuchtigkeit ändern. Im Wald gibt es also noch viel mehr Wahlkreise als bei der Bundestagswahl.

Klingt chaotisch? So schlimm ist es nicht, denn die Waldbesitzer (Link zu „Wem gehört der Wald?“) kennen die Verhältnisse in ihrem Wald, oft seit Generationen. Ihnen sind die Waldversprechen und die Waldprogramme in ihren Eigentumsgrenzen bekannt.  Die Politikberater des Waldes sind zum Beispiel Wissenschaftler, die Unterstützung bei der Einschätzung des Zusammenwirkens von Klimawandel und Baumarten leisten.

Denn die Waldbäume der Zukunft werden nicht für sich selbst ein Wahlprogramm schreiben.

Stattdessen hat die Forstliche Versuchsanstalt Baden-Württemberg (FVA) jetzt für 35 Baumarten eine „Wahlempfehlung“ herausgebracht, in der die jeweiligen Stärken und Schwächen der potenziellen Kandidaten des Waldes der Zukunft aufgearbeitet werden[i].

Ähnlich, wie es bei politischen Wahlempfehlungen um Themen wie Wirtschaft, Sicherheit oder Umwelt geht, bewertet auch die FVA die Baumarten gemäß drei verschiedenen Szenarien:  

  • Risiken vermeiden: Wie gut widersteht die Baumart Risiken wie Schädlingen, Dürre, Sturm, Frost und Feuer, die teilweise durch den Klimawandel zunehmen?
  • Ökosystemleistungen: Beiträge zu Artenvielfalt und Landschaftsbild, Nutzungen für Nahrung, Medizin etc.;
  • Hohe Erträge: Wie schnell wächst der Baum und wie vielseitig ist das Holz nutzbar? Zum Beispiel sind nur wenige Arten gut für den Holzbau geeignet (meist Nadelbäume, aber auch z. B. Roteiche und Esskastanie);

Hier stellen wir ihnen die Topkandidaten vor:

Die Führungsgruppe

Gut abgeschnitten haben dabei besonders Rotbuche, Bergahorn und Flatterulme:

Rotbuche

Risiken vermeiden:

+ Kaum anfällig für Insekten, Sturm und Schnee
± Anfällig für Verbiss durch Pflanzenfresser, aber weniger als die meisten anderen Laubbäume
– Anfällig für Dürre und Spätfrost

Hohe Erträge:

+ Holz gut geeignet für Möbel, Innenausbau, Brennholz
+ Für zahlreiche Holzwerkstoffe (darunter Brettschichtholz, Sperrholzplatten) geeignet, eingeschränkt auch für die Papierherstellung
± Bisher eingeschränkt für Holzbau geeignet, bessert sich durch neue Produkte
± Gutes Wachstum für einen Laubbaum, aber langsamer als Nadelbäume
– Holz sehr empfindlich gegen Feuchtigkeit, für Außenbereich ungeeignet

Blick am Stamm zur Baumkrone

Ökosystemleistungen:

+ Buchenwald wertvolles Waldökosystem, unter anderem durch Funktion der Buchen als Nahrungsquelle für viele verschiedene Wildtiere
+ Schafft als bestandesbildende Baumart ein charakteristisches Landschaftsbild
+ Bucheckern nach Röstung kulinarisch verwendbar

Bergahorn

Risiken vermeiden:

+ Kaum anfällig für Feuer, Frost, Sturm und Schnee
– Sehr anfällig für Verbiss durch Pflanzenfresser
– Anfällig für Dürre

Hohe Erträge:

+ Holz gut geeignet für Möbel, Innenausbau und auch Musikinstrumente
+ Geeignet für Sperrholzplatten, andere Holzwerkstoffe bisher kaum bekannt
± Ähnlich schnelles Wachstum wie die Buche
– Holz nicht witterungsbeständig

Ökosystemleistungen:

+ Nahrungsquelle unter anderem für Bienen; Flechten und Moose können die Rinde besiedeln
+ Stabilisiert den Boden im Bergland
+ Kann gut in Buchen- oder Tannenwälder eingemischt werden
+ Obwohl besonders der kanadische Zuckerahorn dafür bekannt ist, kann auch aus dem heimischen Bergahorn Ahornsirup gewonnen werden

Flatterulme

Risiken vermeiden:

+ Weniger anfällig als andere Ulmenarten für das Ulmensterben, eine verheerende Pilzerkrankung
+ Kaum anfällig für Dürre, Feuer, Sturm und Schnee
± Nur mäßig anfällig für Verbiss durch Pflanzenfresser
± Anfällig für Frühfrost und Frostrisse, aber nicht für Winterfrost und Spätfrost

Hohe Erträge:

+ Holz gut geeignet für Möbel, Innenausbau und auch Musikinstrumente
+ Geeignet für Sperrholzplatten, andere Holzwerkstoffe bisher kaum bekannt
± Ähnlich schnelles Wachstum wie die Buche
– Holz nicht witterungsbeständig

Ökosystemleistungen:

+ Gut für Feuchtwälder geeignet, aber auch als Stadtbaum
+ Wichtig für an Feuchtwälder angepasste Arten
+ Pollenangebot für Insekten schon im Vorfrühling

Die Verfolger

Nach dieser Führungsgruppe folgen Roteiche, Esskastanie und Hainbuche. Damit ist die Roteiche die höchstplatzierte nicht heimische Baumart, vor allem aufgrund ihrer Zähigkeit gegen Extremwetter und ihres im Vergleich zu den heimischen Eichen besseren Wachstums bei ähnlich guter Holzqualität. Die Esskastanie hat besonders dauerhaftes und witterungsbeständiges Holz.

Also weitere Verfolger erweisen sich Elsbeere, Küstendouglasie, Schwarzkiefer und Hängebirke. Die Elsbeere ist ein heimischer, seltener Baum mit sehr schönem Holz, der allerdings schwer heranzuziehen ist. Küstendouglasie und Schwarzkiefer sind Nadelbäume und liefern entsprechend gutes Holz, das belastbar, gerade und leicht ist und schnell nachwächst.

Keine Baumart abschreiben!

Obwohl die genannten zehn Baumarten am besten abgeschnitten haben, können auch die anderen 25 gelisteten nicht einfach abgeschrieben werden. Denn auch eine Baumart, die in der allgemeinen Rangliste nicht so hoch steht, kann aufgrund lokaler Faktoren wie Bodentyp, Wasserverfügbarkeit und Wetterverhältnissen für bestimmte Standorte gut geeignet sein.

Daher gibt die FVA-Broschüre für jede der Baumarten auch Informationen zu solchen Toleranzen und Präferenzen.

Ohnehin gilt: Je größer die Mischung der Baumarten in den deutschen Wäldern, desto höher die Artenvielfalt! Und desto größer die Chance, dass zumindest einige Wälder gut an das Klima der Zukunft (das wir nicht genau kennen können) angepasst sind.

Nach der Wahl ist vor der Arbeit

So, wie die Parteien jetzt in aufreibende Koalitionsverhandlungen müssen, ist auch im Wald die Arbeit nach der Auswahl der Pflanzen nicht getan.

Die Förster und Waldbesitzer müssen die Bäumchen entweder pflanzen oder auf Naturverjüngung setzen, dass heißt die Bäumchen sich selbst ansäen lassen. Letzteres geht allerdings nur, wenn sich ältere Bäume derselben Art bereits in der Nachbarschaft befinden, um diese Samen zu produzieren.

Egal ob gepflanzt oder selbst gewachsen: Kleine Bäumchen sind verwundbar und müssen unter anderem vor Wild geschützt werden (z. B. durch Jagd oder Zäune). Außerdem werden sie manchmal von Sträuchern oder nicht so gut für die Zukunft geeigneten Baumarten überwachsen, dann müssen sie freigeschnitten werden.

So kann durch aktive Bewirtschaftung gewährleistet werden, dass wir trotz des Klimawandels auch in Zukunft schöne Wälder mit hohen Bäumen haben, die zudem mehr Kohlenstoff binden und den nachwachsenden Rohstoff Holz produzieren und somit den Klimawandel bekämpfen helfen.


[i] https://www.fva-bw.de/aktuelles/artikel/artensteckbriefe-20-alternative-baumarten-im-klimawandel

Bildnachweis

BildUrheberQuelle
Große EicheJani RiekkinenAdobe Stock
Blick am Stamm zur Baumkroneferkelraggae Adobe Stock